Das Weiszheithaus, ein Jahrhundertroman

 

Über-Blicke

;
 

1822  Plan der Hufen im Nordosten von Berlin



Das Kreuz befindet sich ungefähr dort, wo später das Weiszheithaus gebaut wurde.

Nummer 1: Schönhauser Allee

Nummer 2: ungefähre Lage des späteren Arnimplatzes, an dessen Stelle sich zuvor ein flacher See in einer eiszeitlichen Vertiefung befand.

Nummer 3: Verlauf der späteren Gleimstraße zwischen den Hufen von Boetzow und Bartikow

Der Verkauf von Grundbesitz vor den Toren der wachsenden Stadt machte die Alt-Eigentümer reich. Familie Boetzow beispielsweise, ursprünglich Bauern aus Oranienburg (das vor 1652 "Bötzow" hieß) besaß um 1885 etwa 450 ha Land. Das "Jahrbuch der Millionäre" von 1913 verzeichnet Julius Albert Bötzow als einen der 20 reichsten Menschen im Deutschen Reich.

     
  1890  Jul. Straubes Illustrierter Plan von Berlin

Die Kopenhagener Straße erschloss die Parzellen parallel zur Ringbahn, die zwischen 1867 und 1877 gebaut wurde und die Fernbahnlinien aus Schlesien, Königsberg, Schwedt, Stettin, Hamburg und Lehrte, Anhalt, Görlitz, Dresden und Potsdam miteinander verband.
Südlich der Kopenhagener lag der ursprünglich etwa 25 ha große Exer, seit 1825 Exerzierplatz des "Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiments Nr. 1" (kaserniert an der Alexanderstraße, später am Kupfergraben).
Auf dem nicht mehr militärisch genutzten Exer trainierte ab 1892 die Fußballmannschaft Hertha Berlin.

Auf dieser Karte ist übrigens der, später als Verlängerung der Gleimstraße gebaute, Tunnel unter dem Gelände der Nordbahn noch als Verlängerung der Kopenhagener, und die, später in Fortsetzung der Sonnenburger gebaute Brücke über die Ringbahn als Verlängerung der Ystader Straße eingezeichnet.
     
 
1903 Pharus-Plan von Berlin 

Um die Jahrhundertwende erreichte die Berliner Stadtgrenze die Ringbahn und auf der links abgebildeten Karte auch gleichzeitig den Blattrand, wobei der "Hobrecht-Plan" (siehe oben) und die Bauordnungen Straßenverläufe und Mindestanforderungen vorgaben. Neben Wohnungen entstanden Werkstätten und Ställe für Kühe, Pferde und Hühner, in der weiteren Umgebung Krankenhäuser, Kirchen, Schulen und Badeanstalten. Die Bevölkerungsdichte war ungefähr drei Mal so hoch wie heute, aber auf den Straßen fehlten die Autos.

(Auf dieser Karte ist fälschlich die Ystader als Malmöer Straße eingezeichnet.)
     
  1925 Silva-Plan

1903/1904 entstand der Gleimtunnel. In der Gegend um die Kopenhagener wohnten seitdem viele Arbeiter und Angestellte der Großbetriebe im Wedding.
1905 zog Hertha vom Exer auf den Scheberaplatz (am Bahnhof Gesundbrunnen). 1912 erwarb die Stadt Berlin auch den westlichen Teil des Exer-Geländes und baute darauf Sport- und Spielanlagen. 1913 wurde die Brücke in Verlängerung der Sonnenburger Straße eröffnet und Schönfließer Brücke getauft, nach der Straße nördlich der Ringbahn.
Der südliche Teil der Sonnenburger wurde 1920 nach dem Presseunternehmer und Mäzen Rudolf Mosse benannt.
Anfang der 20iger Jahre baute die BEWAG an der Ecke Sonnenburger- und Kopenhagener Straße ein Umspannwerk, in dem die ankommende 100 Kilovolt-Strom auf Netzspannung transformiert wurde. Elektrifiziert wurde auch die S-Bahn, die hinter dem Weiszheithaus im Ringbahngraben fuhr und die Stationen Schönhauser Allee mit  Pankow, Wollankstraße und Gesundbrunnen verband.
Nach dem ersten Weltkrieg entstand auf dem Exer eine Holzhaus-Siedlung, u.a. für Flüchtlinge aus den jetzt polnischen Ostgebieten des Reiches.
     
  1936 Olympiastadtplan

Dieser Plan wurde 1936 speziell für die Besucher der Olympischen Spiele aufgelegt und kennzeichnete besonders Sportstätten und Anfahrtswege.
Links oben im Bild ist das Stadion von Herta BSC zu sehen, wo die Gruppenspiele des Fußballwettbewerbs stattfanden. 
1935 wurde von den Nazis der Name des ihnen als Jude und Liberaler verhassten Rudolf Mosse aus dem Straßenbild getilgt. Die Verfolgung trieb jüdische Einwohner in die Emigration, während gleichzeitig viele Juden aus den Provinzen Schutz in der Großstadt suchten.
Im Süden des Exer entstanden 1937 noch die Wohngebäude zwischen Eberswalder und heutiger Topsstraße, ansonsten kam die Bautätigkeit im Bezirk weitgehend zum Erliegen.
     
  1958 Pharusplan

Die Sektorengrenze zwischen Sowjetischem und Französischem Sektor verlief ab 1945 entlang der Gleise der Nordbahn. Der Gleimtunnel war anfangs noch ohne Kontrollen passierbar, allerdings nahmen die Restiktionen für Bewohner, die im Prenzlberg wohnten und im Wedding arbeiteten, nach der Währungsunion zu.
Die Luftangriffe richteten sich in der Gegend um die Kopenhagener vor allem gegen das Nordkreuz der Bahn und die Ringbahn. 1944 wurde die Schönfließer Brücke getroffen und zerstört, die darin enthaltenen Leitungen für Wasser, Abwasser, Gas und Strom danach über eine Behelfsbrücke geführt. Ein merkwürdiges Kästchen am nördlichen Ende der Sonneburger zeigt die Ratlosigkeit des Kartenzeichners angesichts dieser merkwürdigen Nichtbrücke.
Ansonsten blieben die Bombenschäden im Prenzlberg vergleichsweise gering, allerdings führte eine der Hauptangriffslinien der Sowjetarme von Norden über den Exer, so dass in den Straßenkämpfen noch zahlreiche Häuser, vor allem auf den Eckgrundstücken, ausbrannten. Hier wurden in den ersten Nachkriegsjahren recht schnörkellose Neubaublöcke errichtet.
Für das Deutschlandtreffen der Jugend 1951 wurde das Gelände des Exer umgestaltet, die einstige Rudolf-Mosse-Straße verschwand teilweise unter den Sportanlagen und wurde offiziell aufgehoben. Die Sonnenburger endet seitdem vor einem Neubau an der Gaudy-Straße.
     
2008 Verwaltungsplan

Nach dem Bau der Mauer 1961 schlief der Kiez zwischen Bahngelände, Exer und Ringbahn regelrecht ein. Gewerbe und Läden schlossen, in den Bombenlücken entstanden Spiel- und Parkplätze. Die letzten Querstraßen vor der Grenze durften nur mit Passierschein betreten werden. Ein Großaufgebot von Polizei und Stasi musste jedes Mal die Heimspiele des langjährigen Fußballmeisters BFC Dynamo im Stadion sichern.

Schon in den letzten Jahren vor der Wende boten die verfallenden Häuser und der Kontrollverlust der Kommunalen Wohnungsverwaltung im Kiez Freiräume für alternative Kultur. In der Kopenhagener siedelten sich besonders viele Künstler an. Vor und auch nach der Wende war die Straße Drehort zahlreicher Fernseh- und Kinofilme.
Der Sanierungsboom verursachte einen teils krassen Bevölkerungswechsel. Heute liegt der Prenzlberg, einst Schlusslicht der Berliner Sozialstatistik, auf einem der "Spitzenplätze".